Alleinig mit dieser Adresse und einem Türken bewaffnet begaben wir uns vor 5 Tagen auf die Suche. Ich hörte, es solle nicht so einfach sein eine Wohnung in Ankara zu finden. Unmöglich fast, eine Wohnung mit 2 Zimmern, für ein unverheiratetes Pärchen. Gänzlich undenkbar in einer WG mit türkischen Menschen zusammen.
Unsere türkische Mitbewohnerin heißt Sevda, ist ein verrücktes Huhn und bringt uns jeden Tag türkische Vorkabeln bei, die scheinbar kein anderer türkischer Mensch jemals benutzt. Das ausgemachte Lieblingswort bis jetzt: elektrik supurgesi (Staubsauger). Das Internet “nutzen wir mit” von einem sich unter uns befindenden Laden. Zur Uni geht es mit dem Dolmusch, alle haben Dauerbauchschmerzen und es gibt ein Wasserproblem in Ankara – von alledem aber später.
Zuerst ein par Impressionen der neuen Heimat von Noemi und mir.
“Evet” ist eines der vierundzwanzig türkischen Wörter, die ich bis jetzt beherrsche. Die Zahlen Eins bis Zehn mitgerechnet. Trotzdem ist es ein sehr wichtiges Wort, möglicherweise das wichtigste überhaupt. Es ist der Ausdruck der Zustimmung.
Dieses evet soll Schirmherr über meine Reise in die Türkei sein. Aber nicht weil ich lieber “ja” als “nein” sage, auch nicht, weil ich es sinnvoller finde bei Unsicherheit eher zuzustimmen und nicht abzulehnen. Erst recht steckt dahinter keine pseudophilosophische Weißheit mit Universalitätsanspruch, kein bis ins letzte Detail durchdachtes Gedankenkonstrukt. Hayir, ich habe es willkürlich und unreflektiert aus der Sympatisierung mit einem Lied von Tocotronic ausgewählt, dessen Ratschlag ich in einem Gefühl als für mich richtig anerkannt habe. Dies war vor 6 Jahren und ist wirkmächtig bis heute. Alle hier formulierten, durchdacht erscheinenden Gedanken speisen sich neben Tocotronic-Texten noch von einer 5:05 minütigen MP3-Datein mit dem Namen SCREME, welche ich während meines Studiums in Halle (Saale) auf einer WG-Party per Bluethooth auf mein Handy geschickt bekommen habe und dessen Ratschläge ich seitdem akribisch umsetzte.
Wie ich heute, nach 6 Jahren, feststellte, bedeutet der Titel “Sonnencreme” und nicht “Scream” (engl.: Schrei), wie ich als absolutes Sprachtalent immer zu glauben veranlasst war. Ich hoffe mit diesem Hinweis dem einen oder anderen Leser oder der einen oder anderen Leserin wertvolle Lebensjahre geschenkt zu haben.
Tocotronic: Aus meiner Festung
Aus meiner Festung Seh’ ich nach draußen. Wieder daheim doch nicht zu hause Ich bleibe sicher nicht für immer hier im Schrein Und Geisterzimmer Ich bin nicht klein Sag niemals nein Sag immer ja sag immer ja
Morgens früh lief ich hinaus. Das Gras war feucht vom frischen Tau. Ich schaute und war voller Glück verrückt, denn alles stimmt genau.
In Wahrheit war ich Nie verreist wie das Protokoll beweist Meine Wünsche sind Befehle Es sind die Qualen die mich quälen Ich bin nicht klein Sag niemals nein Komatös doch auf den Beinen
Morgens früh lief ich hinaus, Das Gras war feucht vom frischen Tau. Ich schaute und war voller Glück verrückt, denn alles stimmt genau.
Aus meiner Festung Seh ich nach draußen. Kommt alle mit zu mir nach hause! Kommt alle mit! Kommt alle her alle zugleich, denn mehr ist mehr! Kommt alle mit zur Tür hinein und lasst mich nicht mit mir allein! Kommt alle mit! Spendet Applaus! Ich bin ein Star holt mich hier raus!
So hab ich’s mir ausgedacht. Der Tag war fast noch Nacht.